Die überkommene Forschung hat die frühmittelalterliche Gewährung von Immunitäten lange Zeit als Zeichen königlicher Schwäche gedeutet. Abgabenfreiheit sowie eigene Gerichtsherrschaft und militärische Stärke der geistlichen und weltlichen Grossen haben nach dieser Lehre die königliche Gewalt ausgehöhlt. Deswegen soll in den Immunitäten zugleich die Grundlage für das entsehende "feudale Zeitalter" in Europa zu sehen sein. Dagegen betont in neuerer Zeit die anglo- amerikanische Geschichtswissenschaft, die Gewährung von Immunitäten sei keineswegs ein Beweis königlicher Machtlosigkeit gewesen. Vielmehr hätten die Könige solche Verleihungen politisch bewusst genutzt, weil sie von sich aus ohnehin keine Möglichkeit besessen hätten, die Gerichtsgewalt und das Abgabenwesen so feinmaschig zu organisieren. Der vorliegende Beitrag geht über beide Interpretationsansätze hinaus. Denn gerade die starken Könige der karolingischen und ottonischen Zeit gewährten ihren Gefolgsleuten Immunitäten weder aufgrund persoölicher Schwäche noch wegen unzureichender königlicher Verwaltungsorganisation. Vielmehr dienten die Imrnunitäten dem Zweck, die eigene königliche Herrschaft zu festigen und zu erleichtern, vor allem im Hinblick auf militärische Angelegenheiten.
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