Das Thema Akteneinsicht mutmaßlicher Kartellgeschädigter ist eine ständige Streitfrage im deutschen Kartellordnungswidrigkeitenrecht und weder durch die deutsche noch durch die europäische Rechtsprechung abschließend bewertet worden. Auch die Kodifizierungsbemühungen der EU werden Rechtsstreitigkeiten in Zukunft nicht verhindern, zu viel steht für die beteiligten Unternehmen und die Wettbewerbshüter auf dem Spiel. Einzige Gewissheit: Es bedarf eines Vertrauensschutzes bei Kronzeugenprogrammen. Der Kern der Problematik ist aus dem deutschen Strafprozessrecht hinlänglich bekannt. Wie kann vermieden werden, dass durch den Zugriff auf Aktenbestandteile zivilprozessuale Beweislastregeln praktisch umgangen werden und der mutmaßliche Geschädigte über Gebühr von der staatlich geschaffenen Zwangslage profitiert, in der sich der beschuldigte mutmaßliche Schädiger befindet? Die im Kartellordnungswidrigkeitenrecht geltenden strafprozessualen Grundsätze liefern zur Beantwortung dieser Frage ein geeignetes Abwägungsprogramm, dessen Einhaltung in der Praxis durch die rechtlichen Vertreter der Unternehmen eingefordert werden muss.
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