»People suffering from Vertigo should be warned that some locations are impressive.« Dieses Zitat aus dem Tourguide des Schweizer CERN-Instituts stellt Thomas Lehr seinem dystopischen Roman 42 voran und gibt damit einen zentralen Hinweis auf sein poetisches Programm: Schwindelerregend sind nicht nur die erzählten Orte, sondern der Roman induziert auch ein Gefühl des Schwindels und der Verstörung, das aus einem Zusammenspiel aus Inhalt, Form und Stil generiert wird und Handlungs- und Erzählebene parallel führt. Während die Figuren auf der Handlungsebene einen apokalyptischen Zeitstillstand erleben, in dem sich nur mehr 70 sogenannte Chronifizierte bewegen können, wird dieses Gefühl der Chronifizierung auch über metaleptisches und unzuverlässiges Erzählen performativ erzeugt und induziert. Neben diesen in der Literaturwissenschaft bereits viel beforschten Erzähltechniken wird im Rahmen dieses Beitrags auch eine weitere Analysekategorie entworfen, die hier als Viskosität des Textes bezeichnet wird. Zahlreiche philosophische und physikalische Exkurse, ekphrastische Erzählpassagen und auch die überaus verschachtelte, wuchernde Syntax tragen zu dem erschwerten Fortkommen in Lehrs Roman bei, was den Eindruck des Feststeckens, der Zähflüssigkeit vermittelt und damit – in meiner Terminologie – die Viskosität des Textes erhöht. Zu der verstörenden Wirkung des Romans trägt darüber hinaus auch die Gestaltung des Erzählraumes, insbesondere die typografischen Besonderheiten, entscheidend bei. In Summe bewirken die verschiedenen Mittel des Erzählens und der Textgestaltung die Performativität dieses Romans – das Induzieren des Schwindels, vor dem bereits in dem vorangestellten Zitat gewarnt wird.
»People suffering from Vertigo should be warned that some locations are impressive.« In his dystopian novel 42 Thomas Lehr prepends this quotation from a tour-guide of the Swiss CERN-Institute and, thereby, gives a first hint at the narratological principle of his novel: Not only is the story’s setting vertiginous, but the novel also induces a feeling of vertigo and disturbance that is generated by both, the narrative style and the content of the novel. While the protagonists experience the precarious circumstance of a total stop in time, in which only 70 so-called chronified people can keep moving and living, the feeling of chronification is also mediated to the reader through different narrative techniques. Besides metaleptic and unreliable narrative strategies, the viscosity of the text plays an important role in creating this impression. By the term narrative viscosity, I understand the fluidity of the reading process which can be aggravated by digressions, ekphrastic descriptions and complex syntactical constructs as is the case in Thomas Lehr’s 42. Beyond that, the aforementioned disturbing effect 42 induces is further enhanced by different typographic characteristics. In sum, all these narrative strategies contribute to the disturbing and vertiginous effect of this novel, that is already implied by the prepended quotation.
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